Ende der Nahgesellschaft (2020)

Original ORWO Leporello (L14cmxB11cmxH3cm) mit 12 analogen Silbergelatine-Fotografien (von Hand ausbelichtet auf original ORWO-Fotopapier) und 10 Tagebucheinträgen (mit Schreibmaschine auf säurefreiem Papier/120g getippt), mit Büttenrand beschnitten.


Das Werk „Ende der Nahgesellschaft“ zeigt anhand von Fotos und kurzenTexten wie sich das Leben einer Person von der ersten Nachricht über die Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus bis zum Lockdown im März/April 2020 in Deutschland verändert hat. Zu Beginn werden noch diverse Themen außerhalb des unmittelbaren persönlichen Umfeldes betrachtet, der/die Tagebuchersteller*in geht auf Reisen und schaut in die Weite. Im Laufe der Zeit engt sich das Sichtfeld immer mehr ein, in der nächsten Umgebung stehen nur noch isolierte Objekte, Menschen sind nicht zu sehen. Fernab von der eigenen Wohnung, beginnt der/die Erzähler*in mit Eintreten des Lockdowns am 22.03.2020, sich immer mehr auf das Leben im Inneren eines Hauses zusammen mit einer Bezugsperson zu fixieren.
Die Beziehung wird schließlich so nah, dass man nur noch die Haut des anderen Menschen vor sich sieht. 3 Wochen später sind von beiden Personen allein die Schatten übrig. Am Ende des Buches steht eine Person verloren auf einer Lichtung und blickt in eine Landschaft, die sich im Nebel aufzulösen scheint.


Zu ORWO:
Die Filmfabrik Wolfen in Wolfen/Bitterfeld wurde 1909 von dem auf Fotochemie spezialisierten Berliner Unternehmen Agfa gegründet. Nach 1945 hatte die Filmfabrik – seit 1964 unter der Marke ORWO – das Monopol auf die Filmherstellung in der DDR. (siehe Wikipedia:https://de.wikipedia.org/wiki/Filmfabrik_Wolfen)

Bei einer Werksbesichtigung des Industrie- und Filmmuseums in Wolfen, welches als einziges auf der Welt noch Maschinen aus den 1930er und40er Jahren zur Herstellung von Rohfilm zeigt, war es möglich, ein seltenes, perfekt erhaltenes Leporello aus der Produktion der 1960er/70er Jahre zu erstehen. Von einem ehemaligen Fotografen stammt das über 30 Jahre alte ORWO Fotopapier, welches genutzt wurde, um in der Dunkelkammer analoge Fotoabzüge von Aufnahmen zu erstellen, die während des sehr kleinen Bewegungsradius, der im Lockdown erlaubt war, entstanden sind. Die Ränder der Silbergelatine-Fotos wurden mit einer Büttenschneidemaschine getrimmt, um das Aussehen der Bilder noch mehr dem typischen Erscheinungsbild der 1960er Jahre anzugleichen.


Fotografen in der DDR hatten mit ähnlichen Umständen – wenn auch aus völlig anderen Gründen – wie Fotokünstler im Lockdown 2020 zu kämpfen: Reisebeschränkungen und Materialknappheit wurde damals schon mit kreativen Methoden begegnet. Das Leporello soll ein Stück Zeitgeschichte bewahren, die Qualität fototechnischer Produkte aus der DDR aufzeigen und gleichzeitig auf Fotografie als extrem vielseitiges Medium, welches mit einfachsten Mitteln funktionieren kann, aufmerksam machen.

Zu sehen vom 02.06.-19.06.2021 im Heussenstamm, Frankfurt am Main.
Mehr dazu hier

Claudia Grande - Ende der Nahgesellschaft (ORWO Fotobuch)

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